DSCF4100_1024x512Keine Fingerübungen

Franz Liszt schreibt in einem seiner Briefe, dass er als Kind mit Fingerübungen von Clementi und Czerny „vollgestopft“ worden ist – und dass er die beiden gehasst hat.
Daher hat er selbst seine Schüler nie mit Fingerübungen gequält, sondern hat sie immer Musikstücke spielen gelassen. Anhand der konnten sie dann – quasi nebenbei – die Technik lernen. Und er hatte Erfolg mit dieser Methode. Aus seiner Schule kamen einige der bedeutendsten und besten Pianisten jener Zeit.
Leider folgen bis heute nur wenige Lehrer dem Beispiel Liszts. Bis heute ist es allgemein üblich, die Schüler mit Fingerübungen „vollzustopfen“.
Auch ich selber wurde damit gequält. Daher folge ich in meinem Unterricht dem Beispiel von Franz Liszt und verzichte auf Fingerübungen. Das heißt nicht, dass wir uns keine Gedanken über die Technik machen – im Gegenteil. Aber die Technik muss immer der Musik folgen und nicht umgekehrt.
Das Prinzip ist einfach: Würden Sie von einem Fußballspieler verlangen, dass er zuerst mal ein Jahr lang Ausdauertraining macht, damit er lernt, zwei mal 45 Minuten lang in Bewegung zu bleiben, würden die meisten Fussballbegeisterten rasch das Interesse verlieren. Geben Sie ihm einen Ball, und er vergisst die Zeit. Er sieht einen Sinn, in dem „herumrennen“ und es fällt ihm deutlich einfacher durchzuhalten, als wenn er einfach nur stupide seiner Runden auf der Sandbahn drehen müsste.
Oder betrachten Sie Ihre Arbeit. Wenn der Chef von Ihnen verlangt etwas zu tun und Sie wissen nicht, was das soll, Sie sehen also keinen Sinn darin, wie motiviert sind Sie dann?
Wenn Sie ticken wie ca. 95% der Menschen, dann werden Sie nur wenig motiviert sein, Sie werden länger für die Aufgabe brauchen und die Qualität wird auch zu wünschen übrig lassen.
Das gleiche ist es in der Musik. Tonleitern üben ist stupide und macht wenig Spaß. Wenn ich aber eine Tonleiter übe, weil sie Teil eines Musikstücks ist, das ich spielen will, dann bin ich viel motiviert. Auch ich selbst über bis heute immer wieder Tonleitern, wenn sie in einem Stück vorkommen.
So erhalten sich Lehrer UND Schüler die Freude und die Motivation!

Die Talentlüge

Was ist eigentlich Talent? Gerade wenn es um Musik geht glauben viele, man bräuchte dazu eine Art göttliche Gabe, nämlich Talent. Wenn Sie aber erfolgreiche Musiker fragen, worauf sie ihren Erfolg zurückführen, dann werden Sie nie die Antwort bekommen: „ich habe eben Talent“!
Svjatoslav Richter hat es einmal sehr schön auf den Punkt gebracht. Er sagte: „Ich spiele jeden Tag mindestens 6 Stunden Klavier. Wenn ich nur einen einzigen Tag nicht spiele, dann höre ich das schon. Spiele ich zwei Tage nicht, dann hört es mein Publikum. Und würde ich drei Tage nicht spielen, dann würde ich meinen guten Ruf verlieren!“
Worauf führt er also seinen Erfolg zurück? Richtig: auf den guten, alten, unromantischen Fleiß.
Wenn es also so etwas wie Talent gibt, dann ist dieses Talent keine göttliche Gabe, die einen Menschen in die Lage versetzt, besondere Leistungen zu vollbringen. Sondern Talent ist lediglich ein starkes Interesse. Man könnte auch sagen, es ist die Begeisterung für eine Sache, die dann dazu führt, dass ein Mann wie Svjatoslav Richter in der Lage war, ab seinem 4. Lebensjahr jeden Tag 6 Stunden Klavier zu spielen – und das bis ins hohe Alter.
Prof. Melcolm Gladwell hat in einer sehr überzeugenden Studie nachgewiesen, dass Menschen, die in einem bestimmten Bereich Spitzenleistungen vollbringen – ja sogar von anderen Menschen sogar als Genie betrachtet werden – im Grunde nur eines getan haben: sie haben sich sehr lange und intensiv mit dem Thema beschäftigt.
Prof. Gladwell hat herausgefunden, dass man ca. 10.000 Übungsstunden braucht, bis man in einem Bereich zu den Spitzenkräften gehört. Mozart begann mit drei oder vier Jahren Klavier zu spielen. Wenn er jeden Tag vier bis fünf Stunden gespielt hat, dann brauchte er etwa 7 Jahre, um 10.000 Übungsstunden zu erreichen. Also bis er etwa 11 Jahre alt war. Etwa in diesem Alter beginnt Mozart zu komponieren. Und auch hier weist Gladwell wieder die 10.000 Übungsstunden nach. Mozarts erste Kompositionen sind sehr unbeholfene Gehversuche. Die wirklich großen Werke (mit denen er dann auch seinen Durchbruch hatte) schreibt er erst, nachdem er bereits mehr als 10 Jahre komponiert hatte. Der einzige Unterschied zu den meisten anderen Menschen besteht darin, dass er schon mit sehr jungen Jahren angefangen hat.
Das gleiche Prinzip hat Prof. Gladwell auch für Computer-„Genies“ wie Steven Wozniack oder Bill Gates nachgewiesen, für Spitzensportler und in vielen weiteren Bereichen.
Die gute Nachricht lautet also: Sie brauchen kein Talent, um Musik zu machen. Es genügt, wenn Sie Spaß daran haben. Der Rest lässt sich erlernen, wenn Sie sich regelmäßig damit beschäftigen.

Warum wir Klassik spielen

Jedes Jahr besichtigen Millionen von Menschen den Petersdom in Rom und die Akropolis in Athen. In den Museen bestaunen Millionen von Menschen die Werke von Rembrandt, van Gogh und Picasso. Bis heute lesen wir die Bücher, die Homer, Shakespire und Goethe geschrieben haben.
Die Schöpfer all dieser Meisterwerke sind seit Jahrhunderten tot. Aber ihre Werke begeistern uns noch heute. Warum ist das so?
Wirklich große Kunstwerke haben die Fähigkeit, etwas in uns zu berühren. Sie erzählen uns etwas über uns selbst, weil sie nicht an die Zeit, in der sie geschaffen wurden gebunden sind. Sie besitzen etwas überzeitliches. Etwas, das Menschen an jedem Ort und zu jeder Zeit verstehen können – weil zutiefst menschliche Erfahrungen beschreiben.
Das ist auch der Grund, warum die klassische Musik heute noch genauso lebendig ist wie vor 100 Jahren. Die Meisterwerke von Scarlatti, Mozart oder Chopin berühren uns auch heute noch.

Auch lernen ist Übungssache

Sicher kennen Sie den wenig erbaulichen Ausspruch: Was Hänschen nicht lernt, das lernt Hans nimmer mehr.
Und oft entspricht dieser Ausspruch ja auch der Beobachtung. Aber woran liegt das? Ganz einfach: Kinder sind noch daran gewöhnt, ständig neues zu erlernen – und Erwachsene in der Regel nicht.
Machen wir mal wieder einen kleinen Ausflug in die Gehirnforschung:
Die meisten Menschen haben eine falsche Vorstellung darüber, wie unser Gedächtnis funktioniert. Die meisten Menschen stellen sich unser Gedächtnis vor wie ein Glas. Je mehr ich hinein schütte, umso voller wird es und irgendwann ist es eben voll und dann passt nichts neues mehr hinein. Sie glauben also, beim Erwachsenen sei „das Glas voll“, und wenn sie neues Lernen, dann muss etwas altes aus dem Glas entfernt werden, damit für das neue Platz ist.
Die moderne Gehirnforschung sieht das allerdings anders. Unser Gedächtnis funktioniert vielmehr wie ein Netz (der Fachausdruck ist „cluster“). Das heißt: Wenn wir etwas Neues lernen, dann haben wir kleine Wissensinseln die Zusammenhanglos in unserem Gedächtnis nebeneinander existieren. Der Zugriff auf diese Wissensinseln ist noch relativ schwierig. Kommen nun neue Wissensinseln hinzu, entstehen die ersten logischen Verbindungen zwischen mehreren diese Inseln. Dadurch wird das Wissen stabiler in unserem Gedächtnis verankert und der Zugang zu dem Wissen wird einfacher. Je mehr neue Wissensinseln dazukommen, umso mehr logische Verbindungen entstehen und umso stabiler ist die Speicherung.
Das bedeutet also: je mehr Wissen schon vorhanden ist, um so EINFACHER ist es, neues Wissen aufzunehmen.
Deshalb gibt es Fachkräfte, Kapazitäten, die eine riesige Menge an Wissen in ihrem Fachgebiet jeder Zeit abrufen können – und der Laie staunt.
Eine schockierende Studie des deutschen Buchhandels hat allerdings gezeigt, dass etwa 80% der Menschen nach ihrer Ausbildung kein einziges Buch mehr lesen.
Bei diesen Menschen passiert nach der Ausbildung also folgendes: da das aus der Ausbildung vorhandene Wissen nicht mehr ständig benötigt wird, gehen einzelne Wissensinseln wieder im Meer unter. Dabei wird die Verbindung zu anderen Wissensinseln zerstört, die daraufhin nicht mehr zugänglich sind und ebenfalls im Meer versinken. Eine Kettenreaktion setzt ein. Irgendwann ist nur noch das an Wissen vorhanden, was täglich benötigt wird.
Wenn so ein Mensch nun etwas Neues lernen möchte, fällt ihm das anfänglich sehr schwer – und zwar nicht, weil er älter geworden ist und erwachsene langsamer lernen als Kinder, sonder weil er aus der Übung ist und sich erst wieder ein neues Netzwerk von Wissensinseln und Verbindungen aufbauen muss. Kinder haben diese Netzwerk und deshalb fällt ihnen das Lernen leichter – es gibt aber auch genügend Erwachsene, die dieses Netzwerk noch haben, auch nach der Ausbildung ständig neues gelernt haben und denen es dementsprechend leicht fällt, ihr Wissen ständig zu erweitern.
Auch ich selber stelle immer wieder fest, dass sich die Geschwindigkeit, mit der ich neue Musikstücke lerne in den letzen 20 Jahren ständig gesteigert hat.
Also keine Angst vor neuem Wissen – je mehr Sie wissen, desto einfacher wird es, neues zu lernen!

Schon gewusst? – Musizieren macht intelligent!

Psychologen haben herausgefunden, dass musizieren intelligent macht. Und zwar in ganz erheblichem Maße.
Wenn Sie derzeit einen IQ von 100 hätten (das entspräche dem Durchschnitt), dann könnten Sie diesen innerhalb von 6 Monaten auf 110 steigern, indem Sie jeden Tag einfach nur eine Stunde klassische Musik hören. Wohl bemerkt KLASSISCHE Musik! Mit Rock funktioniert es nicht!!!
Und wenn Sie ein Instrument lernen würden, dann könnten Sie Ihren IQ innerhalb von 6 Monaten sogar auf 120 steigern. Und damit sind Sie dann schon deutlich über dem Durchschnitt. Sogenannte Genies haben übrigens etwas mehr 140.

Wie lernt man ein neues Musikstück?

Wie so oft im Leben lautet die Antwort: „Es kommt darauf an.“ Ja worauf kommt es denn dann an?
Zunächst einmal gibt es unterschiedlicher Lern-Typen. Meist werden drei Typen unterschieden: optisch, auditiv und kinästhetisch.
Die wichtigste Aufgabe des Lehrers ist also, dem Schüler beizubringen, wie er richtig lernt – das gilt nicht nur für die Musik sondern für jegliche Art des Lernens.
Dem optischen Typ hilft es beispielsweise, wenn er sich die Noten vorstellt oder wenn er sich das Bild merkt, wie sich die Hände über die Klaviatur bewegen. In der Schule wäre das jemand, der Lerninhalte aufschreiben muss, um sie sich optimal merken zu können.
Der akustische Typ merkt sich in der Regel allein den Klang. Diesem Typ bringt es in der Schule überhaupt nichts, wenn er Lerninhalte aufschreibt. (Ich selber gehört z.B. zu diesem Typ). Er muss sie sich selber erzählen – und zwar laut! Am Klavier hilft es ihm, wenn er mitsingt. Hier natürlich eher leise und mit der Zeit lernt er dann, nur noch innerlich mitzusingen.
Der kinästhetische Typ merkt sich Gefühle. Also das Gefühl der Finger beim spielen oder das Gefühl, das die Musik bei ihm auslöst. Dieser Typ muss Lerninhalte mit seiner Gefühlswelt verbinden – er muss sich also die Frage stellen „welches Gefühl löst das bei mir aus“ und kann dann dieses Gefühl mit dem Lerninhalt zusammen abspeichern. Falls Sie jetzt nicht so genau verstehen sollten wie das funktioniert, machen Sie sich bitte keine Sorgen. Das bedeutet nämlich, dass Sie selber kein kinästhetischer Typ sind, von daher ist es auch nicht so wichtig für Sie. Der Kinästhet wüsste sofort wovon ich rede. Übrigens ist der Kinästhet auch der seltenste der drei Typen. Nur etwa 5 % der Menschen gehören in diese Kategorie.
Noch ein Hinweis, damit an dieser Stelle keine Missverständnisse aufkommen: keiner dieser drei Typen ist als Musiker besonders gut oder besonders schlecht geeignet. Alle drei Typen können exzellente Musiker sein – sie erleben die Musik nur unterschiedlich.
Aber zurück zur eigentlichen Frage: Wie lernt man nun ein neues Musikstück.
Prinzipiell haben sich verschiedene Schritte bewährt:
1. Die Musik immer wieder hören und nachsingen.
2. Am Klavier jede Hand einzeln auswendig lernen.
3. Beide Hände zusammenführen und immer wieder spielen.
Wie diese Schritte im einzelnen funktionieren und welcher Lerntyp Sie sind, das lassen Sie sich am besten von einem kompetenten Lehrer erklären. Es gibt einfach Dinge, die kann man nicht aus Büchern lernen, man muss Sie tun! Flirten haben Sie ja auch nicht aus einem Buch gelernt, sondern indem Sie es getan haben 😉